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aus dem historischer Kriminalroman "Café Größenwahn"

Copyright Jaron Verlag, Berlin 2007

Der Geldbote ist gegangen, lebendig, mit seiner Tasche. Nun haben sie beide drei Tage gewonnen, der Bote Butterweck und er selbst. Eugen zieht die Vorhänge auf und schaut aus dem Fenster des Hotel Adlon. Warum hat er ihn bloß nach seinem Namen gefragt? Es tötet sich leichter, wenn der Mensch namenlos bleibt. Und dann dieser Name! Es scheint schon wieder eine Farce zu werden, sein Drama. Vielleicht sollte er die Aufführung abblasen. Noch ist es nicht zu spät.
Von Unruhe ergriffen, verlässt Eugen mittags das Hotel. Im Foyer herrscht Trubel. La belle Otéro, die weltberühmte Tänzerin, zieht mit ihrem Gefolge ins Ad-lon ein, und zu diesem Gefolge gehören neben achtunddreißig Koffern und ihren Kammerzofen auch ein Papagei, ein Perlhuhn, zwei Möpse und eine siamesische Tempelkatze. Die Otéro wird das Personal des Adlon in den kommenden Tagen in Atem halten, denkt Eugen, ebenso gut wie Kaiser oder Zar, ein mittleres Erdbeben oder eine Revolution. Und das kann ihm nur recht sein.

Ohne Ziel spaziert Eugen durchs Brandenburger Tor in den Tiergarten. Er biegt in die Siegesallee ein, die flankiert von zweiunddreißig weißen Hohenzollern- Standbildern auf die Siegessäule zuläuft. In der Frühlingssonne sind am Samstag vor Ostern viele Spaziergänger unterwegs, Familien, Mütter und Ammen mit hochrädrigen Kinderwagen, junge Paare, die Arm in Arm über die Wege schlendern. Ein Fahrradfahrer kurvt um sie herum und singt Puppchen, du bist mein Augenstern ... Frühling ist eine ungeeignete Jahreszeit für einen Mord, geht es Eugen durch den Kopf. Im November, da kommt es einem fast natürlich vor. Vielleicht sollte er warten bis zum Herbst, den Sommer mit Maxi genießen. Und einen anderen Boten wählen. Er ist noch so jung, dieser Emil Butterweck, kaum älter als er selbst. Lebenslustig ist er und liebenswürdig. So lustig und liebenswürdig, wie er es nie sein wird.

Am Ostersonntag fällt die Morgensonne im Hotel Adlon auf das bronzene Bettgestell. Obwohl die Versuchung groß ist, lässt Eu-gen sich das Frühstück nicht aufs Zimmer bringen. Die Hotelangestellten sollen ihn so wenig wie möglich zu Gesicht bekommen. Umso weniger werden sie sich später an ihn erinnern. Er holt sein Manuskript Geldboten aus dem Koffer, greift nach dem Füllfederhalter und schreibt: Keine Postanweisung, keine Spur. Keine Pistole, kein Blut. Dann notiert er: Methoden, lautlos zu töten: ?
Während er grübelnd im Zimmer hin und her geht, erinnert sich Eugen daran, wie er vor dem ersten Überfall das Fesseln und Knebeln geübt hat. Das Töten kann man nicht üben. Vielleicht wird es leichter, wenn man es schon einmal hinter sich gebracht hat. Das erste Mal muss man es einfach tun. [...]

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