erkennung

09.03.2019    Marion Boginski    "Klein(ich)keiten"


Das stille Leben der Finger
Unauffällig, unscheinbar, unaufdringlich. Ihre Bewegungen lebensnotwendig oder lebensvereinfachend.
Sie ziehen, drehen, halten, stemmen, streicheln, streichen, geben, nehmen ... tippen.
Meine tippen auf Tastaturen herum.
S E I T  22  J A H R E N.
Nicht alle Finger. Meist sechs. Meist dieselben. Meist stundenlang.

finger

Und nun das!
Nicht lesbar! Sagt der Fingerabdruckscanner.
Ich brauche einen Pass. Und der Pass braucht zwei Fingerabdrücke.
Jede Fingerkuppe einzeln wird gereinigt, auf den Scanner gelegt.
Nicht lesbar, sagt der Fingerabdruckscanner.
Ich werde aufgefordert, den Schalter zu wechseln.
Zehn Fingerkuppen werden gereinigt, nacheinander auf den Scanner gelegt.
Nicht lesbar, sagt der Scanner.
Ich wechsle den Schalter.
Wer weiß was die Scanner heute haben, sagt die Schalterangestellte.
Die Finger sagen nichts.
Nicht lesbar, meldet der Scanner.
Der Pass braucht mindestens einen Fingerabdruck, sagt die Angestellte.
Die Finger sagen nichts.
Ich wechsle den Schalter. Der Scanner verweigert sich.
Ich schaue meine Finger an. Jeden einzeln. Wie glatt sie sind! Ohne Rillen.
Ohne Papillarleisten, sagt die Angestellte.
Ich sage nichts, ich schaue. Wo sind sie geblieben? Abgerieben auf der Tastatur? Buchstabe um Buchstabe. Jahr um Jahr. Seite für Seite?
Ich streiche mit dem Daumen über die Finger. Hin und her und zurück.
Glatt, glasglatt, papierglatt. Meldet mein Gefühl.
Die Finger sagen nichts.

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